Mark Kuhlmann, der 50-jährige Leiter einer Vertriebseinheit der MLP AG, ist Interims-Bundestrainer der deutschen Rugby-Nationalmannschaft, die am Samstag um 14.30 Uhr im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark in der Europameisterschafts-Division 2 den Tabellenführer Niederlande empfängt. Mark Kuhlmann hat 48 Länderspiele bestritten und mit dem DRC Hannover sieben deutsche Meisterschaften und drei deutsche Pokalsiege errungen. Er lebt seit Jahren in Heilbronn und ist Bundesliga-Trainer des TSV Handschuhsheim.
Herr Kuhlmann, die deutsche Mannschaft ist mit einem 35:15-Sieg in Lodz gegen Polen in die EM-Saison 2019/20 gestartet. Hatten Sie das so geplant?
Ich kannte die Polen aus eigenem Erleben, als sie uns immer ein ganz harter Gegner waren, und von Video-Aufzeichnungen. Deshalb sagte ich vor dem Spiel, dass ich auch mit einer knappen Niederlage leben könne.
Mit diesem Sieg lebt es sich aber sicher besser…
Ja, klar, wir haben nicht mehr so viel Druck. Unser neu formiertes Team hat in Lodz schon erstaunlich gut funktioniert, wir haben nur wenige Spielfehler gemacht. Jeder Spieler hat sich sehr viel Mühe gegeben, und darauf kommt es uns an. Die Stimmung ist prächtig, wir haben keinen faulen Apfel im Korb. Jeder kämpft für jeden. Wir bauen auf die Spieler der Bundesliga-Vereine, denn das Niveau der deutschen Bundesliga ist nicht schlecht.
Sie verzichten also weiterhin freiwillig auf jene sechs Spieler, die in den zweiten und dritten französischen Ligen sehr gute Leistungen zeigen? Julius Nostadt beispielsweise spielt in Aurillac und war in der vorletzten Woche Frankreichs bester Zweitliga-Spieler.
Ich habe diese Spieler im Blick und schätze ihre Qualitäten. Wir sind mit ihnen in Kontakt. Eric Marks aus Vannes hätten wir gerne gegen die Niederlande spielen lassen, weil er ein sehr, sehr guter Zweite-Reihe-Stürmer ist. Sein Vereinstrainer hat es ihm aber nicht erlaubt, weil sie ein wichtiges Punktspiel haben. Wir können nur die Spieler nominieren, die für Deutschland spielen wollen und für Deutschland spielen dürfen. Dessen sind wir uns bei den 28 Akteuren, die wir in den Kader für das Niederlande-Spiel berufen haben, vollkommen sicher.
Welches Ziel hat die Mannschaft nach dem Sieg in Polen?
Vor Saisonbeginn galt: Den Abstieg aus der Division 1 verdauen, neu aufbauen und auf den Klassenverbleib hinarbeiten. Nun sage ich: Den Klassenerhalt müssten wir schaffen können, weil auch die Schweiz und Litauen keine unüberwindlichen Hürden sind. Das Spiel in der Ukraine ist schwer. Und die Niederländer sind nicht zu Unrecht Tabellenführer. Sie haben eine sehr gute Fünfzehn.
Was sind deren Stärken?
Sie sind über Jahre eingespielt, etliche Spieler sind nahe an ihrem Leistungszenit. Die Stürmer der ersten und zweiten Reihe bilden eine starke Einheit, sie könnten uns Probleme bereiten. Und sie haben eine schnelle und trickreiche Dreiviertelreihe mit einem überragenden Schlussmann. Kapitän Dirk Danen kenne ich sehr gut, denn er war einer meiner besten Stürmer, als ich den SC Neuenheim trainiert hatte.
Welche Perspektiven sehen Sie mittelfristig für Ihre Nationalmannschaft?
Wir sollten in der EM-Division 2 unter die ersten Zwei kommen und in ein, zwei Jahren ernsthaft um den Aufstieg in die Division 1 spielen können. Dazu müssten wir einen riesigen Sprung machen. Wir müssen in den nächsten Wochen einen klugen Plan entwickeln und prüfen, was wir kurz- und mittelfristig finanzieren und umsetzen können. Wir sollten es vermeiden, zu einer Fahrstuhlmannschaft zwischen den Divisionen eins und zwei zu werden.
Sie haben dem Deutschen Rugby-Verband (DRV) für die Spiele in Polen und gegen die Niederlande Ihr Ja-Wort gegeben. Wie geht es ab Samstag für Sie und Ihre Co-Trainer Alexander Widiker und Lars Eckert weiter?
Das ist noch nicht besprochen und noch nicht entschieden. Wir brauchen, wie gesagt, zuerst einen klugen Aktionsplan, der es uns erlaubt, regelmäßig mit den besten Spielern zu arbeiten. Ich kann aber sagen: Die Arbeit macht uns Spaß.
Interview: CPB, Foto: F&S